Barbara Kaufer und Marcus Koch sind seit über 20 Jahren Spitzenreiter in der Swingtanz-Szene. Sie sind vielfache Welt-, Deutsche und US-Meister und wurden mehrfach national und international ausgezeichnet. In München sind sie Inhaber des Vintage-Clubs, wo verschiedene Tanzkurse und Veranstaltungen für Jung und Alt angeboten werden. Ein Gespräch über Swing-Tanz, Trends und Lebensstil.
 |
Foto: Petra Hennemann |
Was ist das besondere am Swing-Tanz?
Dass es eine so offene und lebendige Musik- und Tanzrichtung ist. Es geht darum, Spaß und gemeinsam eine gute Zeit zu haben. Der Swing-Tanz ist nämlich Ende der Roaring Twenties in Harlem/New York entstanden. Zu dieser Zeit besaßen Menschen kaum Geld und es herrschte eine strikte Rassentrennung. Doch im Savoy Ballroom konnten Weiße und Schwarze problemlos miteinander tanzen.
Und wie habt Ihr Eure Leidenschaft für den Swing-Tanz entdeckt?
Bereits als Teenager in den 80ern waren wir fasziniert davon. Sobald die Musik anfing, konnten wir unsere Füße nicht mehr still halten. Wir sind in München überall hin, wo es eben solche Veranstaltungen gab. Marcus fand mal durch Zufall zwischen Musikplatten einen Flyer von des „Fifties Record Hop“ in der Maxemanuel Brauerei. Ganz klar, wir mussten dorthin, hatten allerdings nicht damit gerechnet, dass die Leute dort getreu im Swing-Tanz-Stil der 50er Jahre gekleidet waren. Die Männer trugen Zoot Suits, sowie die typischen schwarz-weißen Schuhe und Frauen sah man in farbenfrohen Petticoats. Während der Veranstaltung wurde auf einmal die Musik immer schneller und Leute bildeten einen Kreis, in dem abwechselnd Tänzer versuchten, sich gegenseitig an Akrobatik zu überbieten. Das Ganze nennt sich Jam-Session und - wie man sieht - ist das nicht erst beim Breakdance entstanden. Fortan waren wir Fans der Boogie-Woogie-Szene.
Boogie Woogie?
Ja genau. Boogie Woogie ist in der Nachkriegszeit durch die Amerikaner, Engländer, Franzosen und Italiener, die in Deutschland stationiert waren, entstanden und natürlich auch unter dem Einfluss des Rock ’n’ Rolls. Der Unterschied bei diesem Tanz ist, dass einfach ein paar Schritte weggefallen sind und dass man diesen nicht wie erwartet auf Boogie Woogie-Musik tanzt, sondern hauptsächlich auf Rock ´n´ Roll, Rockabilly und Swing.
Verbindet Ihr das Ganze mit einem besonderen Lebensgefühl?
Die Gesellschaft spricht immer von einem Lebensgefühl, es ist aber vielmehr ein Lebensstil. Denn heutzutage haben wir einen absoluten Vorteil, wir können frei entscheiden, was uns gefällt und was eben nicht. In den 20ern gab es das definitiv nicht. Der Alltag war hart und der Tanz und die Musik ermöglichten es für kurze Zeit, in eine andere Welt zu tauchen.
Ist das Heute nicht ähnlich?
Ja klar! Es ist das Gleiche. Vor allem bei denen, die von morgens bis abends im Büro sitzen. Kurz gefasst, es ist die günstigste Möglichkeit, um Stress abzubauen, sich zu treffen und zu tanzen.
Spielt bei Euch auch ein bisschen Nostalgie-Liebe mit?
Definitiv. Wir befassen uns mit allem drumherum. Vor allem die Kleidung spielt eine große Rolle. Während unserer Anfangszeit haben wir Boogie Woogie immer mit Petticoats assoziiert. Als wir in der Swingtanz-Szene so richtig etabliert waren, nähte ich mir die ersten Petticoats selbst. Vor allem trifft man sich zu Veranstaltungen und in der Szene regelmäßig in den typischen Outfits der 50er Jahre, in fliegenden Petticoats, Hosenträgern, Zoot Suits und den typischen Tanzschuhen. Aber privat kleiden wir uns nicht so.
Gibt es denn Kursteilnehmer die sich im Alltag in den typischen Outfits kleiden?
Ja, vor allem in der Rockabilly-Szene gibt es sehr viele, die von Kopf bis Fuß im Alltag so herumlaufen und die sogar ihre Wohnungen im Stil der 50er Jahre eingerichtet haben.
Und was ist das Ziel Eures Vintage-Clubs?
Um unseren Tanzstil zu erweitern sind wir vier Jahre nach Amerika gegangen und als wir 2004 nach München zurückkehrten, stellten wir mit Erschrecken fest, dass die Swingtanzszene am Aussterben war. Wir wollten die Szene wieder aufbauen und den Leuten zeigen, wie facettenreich doch Swing-Tanz ist. Sie sollen Spaß und Freude am Tanzen haben. Wir wollen dass die Leute bei uns frei sind und ihren eigenen, individuellen Stil lernen. Klar ist die Technik wichtig, aber schon damals war die Devise der großen Tänzer, wir wollen unseren eignen Stil, wir wollen nicht so tanzen wie jeder andere. Hier gibt es kein Konzept, man könnte es mit der Abschaffung des Korsetts vergleichen, man ist frei und nicht gebunden. Ebenso haben wir auch die Veranstaltungen wieder ins Leben gerufen.
Würdet Ihr sagen, dass Swing-Tanz gerade wieder im Trend ist?
Ja, definitiv. Aus den USA kam in den 80er Jahren eine große Revivalwelle der Swingkultur, die seither Menschen weltweit auf die Beine bringt. Die Mode der 20er, 30er, 40er oder 50er hat Maßstäbe gesetzt, sie kommt immer wieder zurück und so ist es eben auch beim Swing-Tanz. Allein im letzten halben Jahr hatten wir etwa 600 verschiedene Teilnehmer und aktuell sind 70 Clubmitglieder bei uns. Swing-Tanz ist definitiv wieder im Kommen.
_____________________________________________
Neugierig geworden? In der Sonnenstraße 12 befindet sich der Vintage-Club.
Foto: Petra Hennemann/ Anja Kempski
Text: Anja Kempski
Prima, dass ihr die Leute für euer Blog ausgegraben habt. Musik und Mode gehören ja irgendwie zusammen. Aber was ist denn ein Zoo Suit? Wäre toll, wenn ihr die Mode da mal zeigen und erklären würdet.
AntwortenLöschenVielen Dank für Dein Feedback. Bezüglich deiner Frage: Ein Zoot Suit ist ein Anzug mit einer Hose mit hoher Taille und weiten, zu den Knöcheln schmal zulaufenden Hosenbeinen und einer langen Jacke mit breitem Revers, sowie breiten Schultern. Dieser wurde in den 30er und 40er Jahren getragen. Vor allem in der Jazz-Kultur Harlems war der Zoot-Suit sehr beliebt.
AntwortenLöschen