Montag, 2. Januar 2017

"Wir wollen doch alle besonders sein."


Auf eine Tasse Pfefferminztee mit Albrecht von Weech – ein Gespräch über Individualität, Eigenliebe und Diamanten. 





Was ist Stil für Sie?

Das ist wirklich ein jahrelanger Prozess. Ich bin jetzt 58 Jahre alt und auch ich habe natürlich viele Einflüsse und auch Vorbilder. Vor allem wir Männer brauchen ja solche Idole. Der „normale“ Mensch sucht sich das auf dem Fußballplatz. Mein Vater zum Beispiel war kein solches Vorbild. Er hatte nicht meinen Geschmack.



Und Ihr persönlicher Stil in 3 Worten? 

Gemischt, schizophren, individuell. Ich möchte aus der Masse hervorstechen und nicht im negativen Sinne – auch wenn das leichter wäre. Die meisten Menschen machen sich hässlich, um aus dem Gros auszubrechen. Und sind dann genau in dieser hässlichen Masse ein kleines Stückchen Hässlichkeit. Wir wollen alle besonders sein, das ist ja klar.



Sind Sie mittlerweile modisch angekommen?

Mode ist launenhaft:  Es gibt Tage, an denen ich mich nicht wohl fühle, da richte ich mich dann auch nicht schick her. An anderen Tagen falle ich bewusst auf. Wenn Leute mich dann ansehen sollen sie merken, dass ich mich selbst liebe. Und ganz wichtig, der bestehende Alltagstrott muss unbedingt unterbrochen werden, denn ich hasse nichts mehr als Langeweile.



Haben Sie eine Lieblingsdekade?

Ich liebe die 20er- und 30er Jahre ganz besonders. Männer haben auf sich geachtet und sich gepflegt und diese „Jeansuniform“ gab es noch nicht. Natürlich war man stark an Konventionen gebunden. Ein Mann ging beispielsweise ohne einen Hut nicht aus dem Haus. Man ist heute zwar elastischer aber gleichzeitig auch schlampiger. Ich finde es wichtig gute Stoffe und Materialien auf der Haut zu tragen. Und vor allem Männer sollten sich daran erfreuen.



In einem Interview haben Sie gesagt, dass Sie in einer Fantasiewelt leben. Wie sieht diese aus?

Ich finde die Realität schrecklich. Wenn ich mir Videos zu Aleppo ansehe, Bomben eine Stadt zertrümmern und Kinder schreien, dann muss ich in meine Welt flüchten. Wirklich jeder hat insgeheim seine eigene Insel, auf der er lebt. Diese kann man sich einrichten. Meine richte ich mir mit Liebe ein, denn ich liebe mich selbst.



Sie sind gelernter Goldschmied. Mitunter Puppenbauer, Sänger und Benimmcoach. Woher nehmen Sie Ihre Faszination für so viele Dinge?

Das Geheimnis liegt in der Zeit, den größten Luxus, den wir Menschen haben – neben Gesundheit und Platz. Wir haben ja nur eine kurze Spanne auf dieser Erde und dann ist das ja weg. Deswegen sollten wir das Leben feiern und zwar jeden Tag. Ich bin zudem neugierig wie ein Affe. Ich will alles sehen. Wenn man Zeit hat, kann man ein neues Instrument oder einen neue Sprache lernen. Das geht nicht, wenn man den ganzen Tag arbeitet und letztendlich müde zu Tode fällt. Den Luxus der Zeit genieße ich gerade in vollen Zügen.




Sie treten oft auf. Sind Sie privat so wie auf der Bühne?


Ja ein bisschen schon. Die Person auf der Bühne gibt nämlich weniger Schwächen zu. Ich unterhalte Menschen. Aber was bringt mir das? In erster Linie muss man dabei an sich selbst denken. Ich bin glücklich, wenn ich Menschen glücklich mache. In meiner Jugend war das noch ganz weit weg von mir. Im Alter von 16 Jahren war ich so schüchtern, dass ich mich nicht getraut habe in eine Konditorei zu gehen, um dort ein Stück Erdbeertorte zu kaufen.



Woran lag das?

Ich wurde sehr streng erzogen. Wir hatten damals keinen Wert, den musste man sich dann erst selbst zuschreiben. Das ist auch der Grund wieso ich mich modisch kleide und versuche mich zu inszenieren. Ich muss meinen Wert herstellen, den ich in mir drin zu Beginn noch nicht fühle. Wenn ich auf die Bühne gehe und sehe, dass die Leute mich lieben, gibt mir das auch Sicherheit.



Wer ist ihr großes Idol?

Leonardo daVinci ist deshalb für mich ein Idol, weil er so wunderbar vielschichtig war. Das ist in unserer heutigen Gesellschaft sehr selten. Wenn man sagt: “Ich habe einen Beruf und ich fahre gerne Ski“, dann ist jeder Mensch zufrieden. Keiner muss darüber nachdenken, alles ist in einer Schachtel aufgeräumt. Wenn du aber sagst, dass du Maler, Zeichner, Bildhauer, Puppenbauer und Goldschmied bist, dazu noch singst, Bücher schreibst, Benimm-Experte bist und auch noch weißt, wie man einen Vorhang näht, dann macht das suspekt. Der Mensch denkt nämlich nicht gerne nach. Leonardo hat darauf geschissen und war deswegen ein ganz toller Mann. Da gehöre ich auch hin. Ich entspreche nicht der Norm. Sie ist zu langweilig und dafür das Leben zu kurz.



Befindet sich ein Kleidungsstück in Ihrem Schrank, das Sie für immer tragen werden?

Ja, meine Diamanten. Ich liebe Schmuck. Wenn ich aus dem Haus gehe und keine Ringe trage, gehe ich zurück und hole sie mir. Ich fühle mich nackt ohne Schmuck. Ich trage immer zwei Ringe: einmal den Verlobungsring mit meiner Frau und dann noch den Verlobungsring mit mir selbst, um mich selbst nicht zu vergessen.  Ich gehe nie unter 5 Karat aus dem Haus. Das sollte ein Herr sowieso nicht, denn sonst könnte man ja denken er sei arm. Wenn man schon arm ist, muss man ja nicht auch noch so aussehen. Jeder glaubt ich habe so viel Geld, weil ich so aussehe. Das trifft jedoch nicht zu und ist auch gar nicht nötig. Geld wird überbewertet.




Was lieben Sie daran so sehr?

Mein Schmuck ist selbst gemacht. Ich bin ja Goldschmied. Ich fahre nicht teuer in den Urlaub, gehe nicht teuer essen und fahre auch kein teures Auto, weil mir das Geld vom Schmuck wegnehmen würde. Ich liebe schöne Diamanten, Rubine und Smaragde. Da entzündet sich mein Herz.



Was haben Sie vom Leben gelernt?  

Es ist völlig egal wie man aussieht, ob klein, groß, dick oder dünn. Man kann immer was aus sich machen, wenn man sich selbst liebt und sich annimmt. Zudem auf der Suche ist und auf der Suche bleibt. Sich nicht zurücklehnt und faul wird. 
Panta Rhei: Alles fließt und so muss das auch beim Leben sein. 

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Albrecht von Weech ist 1958 am Tegernsee geboren. Er ist Gründer des ersten Münchner Dandy Clubs, ein Ort für Männer, "die sich mit Liebe ein wenig selbst inszenieren". Neben seinem Beruf als Goldschmied und Unterhalter, ist er Autor des Buches "Der vergessene König". 


Text und Bild: Jean-Noël Teschauer


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